PRO Flexconvert traf sich mit Dr. Christina Toigo, Expertin für Energiespeicher und Wasserstofftechnologie an der Fachhochschule Oberösterreich. Ein Gespräch über technische Grundlagen, Chancen und Herausforderungen für die Converting-Industrie.
Frau Dr. Toigo, der Batteriesektor in Europa erlebt derzeit einen wahren Boom, die E-Mobilität gewinnt ständig neue Marktanteile. Andererseits sind wir gegenüber Asien wohl immer noch deutlich im Hintertreffen. Wie würden Sie die aktuelle Lage charakterisieren?
Dr. Christina Toigo: Die Situation hat schon etwas von Aufbruchstimmung. Aber wie bei jeder Veränderung und bei jeder Integration von neuen Dingen in ein System braucht es einfach Zeit. Die Veränderung muss bei den Unternehmen und den Privatpersonen ankommen. Schauen wir auf die E-Mobilität, reden alle von der Reichweite, die vielleicht noch fehlt. Natürlich gibt es Hindernisse und Hemmnisse, aber wir sprechen hier ohne Frage von einer Zukunftsindustrie!
Ich finde es immer sehr schade, wenn ich sehe, dass sich die ifo-Prognosen für Deutschland nach unten bewegen. Als Unternehmen sollte man hier ganz massiv entgegenwirken und sich zu den neuen Technologien bekennen: „Hier will ich Gas geben, hier will ich mitgestalten!“
Wie sind die deutschsprachigen Länder innerhalb der EU im Batterie-Sektor aufgestellt?
C. Toigo: Österreich ist leider immer noch ein großer weißer Fleck. Man kann sich anschauen, wo in Europa die Giga-Factories entstehen. Da hat Deutschland mit seinen zahlreichen Unternehmen eine ordentliche Grundlage geschaffen – mit den entsprechenden Subventionen. In Österreich ist noch nicht so viel passiert, wobei ich hier große Potenziale sehe – insbesondere bei den Zulieferern und bei Spezialmaschinen.
In Europa insgesamt – und möglicherweise besonders stark im deutschsprachigen Raum – begegnen wir der E-Mobilität mit Skepsis. Während China mit aller Macht auf Elektromobilität setzt, betonen führende Politiker*innen hierzulande immer noch die „Technologieoffenheit“. Gerade Wasserstoff wird immer wieder gerne als Alternative ins Feld geführt . . .
C. Toigo: Wer möchte, darf natürlich gerne skeptisch sein, aber es wird meiner Meinung nach kaum ein Weg an der Elektrifizierung vorbei führen. Beim Wasserstoff sollte man den Individualverkehr eher ausklammern. Die Technologie mag sinnvoll sein für Busse, LKWs, Schiffe und vielleicht sogar für den Flugverkehr. Alles, was den täglichen Weg zum Einkaufen, zum Kindergarten und in die Arbeit betrifft, wird nach meiner Überzeugung rein elektrisch ablaufen. Das ist durchaus mit einem Mentalitätswechsel verbunden, wie ich aus eigener Erfahrung berichten kann. Ich bin selbst seit drei Jahren elektrisch unterwegs. Ja, es erfordert Planung und ja, es gibt Ladesäulen, die evtl. nicht funktionieren. Wir stehen wirklich erst am Anfang. Gerade scheint hier die Sonne, mein Auto lädt momentan – und dank der Photovoltaik-Anlage auf dem Dach kostet mich das keinen Cent! Neulich bin ich von Niederbayern an die Nordsee gefahren. Gerade mit Kindern muss ich sowieso alle zwei Stunden Pause machen, was man perfekt mit einem Ladestopp kombinieren kann. Anders verhält es sich vielleicht, wenn ich geschäftlich nach Berlin möchte und es gewohnt bin, sechs Stunden ohne Stopp durchzufahren …
Momentan hört man immer öfter von elektrischen Reichweiten bis an die 1.000 Kilometer-Marke. Ist das tatsächlich realistisch, oder mehr dem Hype geschuldet?
C. Toigo: Mit Sicherheit ist das realistisch, wenn man genügend Speicher einbaut! Die Frage ist vielmehr, ob das sinnvoll ist, wenn man eher kleinräumig unterwegs ist. Ursprünglich war der Gedanke der E-Mobilität ja auch, dass die Autos kleiner werden sollten, um den täglichen Bedarf abzudecken. Jetzt bewegt sich alles eher in die entgegengesetzte Richtung: Gerade die deutschen Autobauer machen alles größer, dicker, mehr Reichweite, mehr Extras. Es mag verlockend klingen, mit einem Tankstopp 1.000 Kilometer weit zu kommen, aber es stellt sich die Frage, ob dies für den klassischen Individualverkehr überhaupt notwendig ist. Neulich habe ich eine Statistik gesehen, die besagte, dass sich die meisten Menschen eine Reichweite von über 600 Kilometern wünschen. Demgegenüber steht aber eine andere Statistik, die den Durchschnitt der Bevölkerung bei um die 50 Kilometer Fahrstrecke pro Tag verortet. Gefühlte Bedürfnisse und Realität klaffen hier enorm weit auseinander!
Schlagen wir nun den Bogen in die Converting-Industrie. Seit einigen Jahren steigt das Interesse an der Batteriefertigung auch in unserem Sektor enorm an. Welche Rolle kann die Converting-Industrie Ihrer Meinung nach für die Batteriebranche spielen?
C. Toigo: Viele Unternehmen möchten dabei sein, allerdings fehlt in vielen Fällen das Wissen über die Wertschöpfungskette für Batterietechnologien. Wann brauche ich welche Materialien und in welcher Stärke? Welchen Qualitätsanspruch habe ich? Es gibt grundsätzlich viele Anknüpfungspunkte bei den Batterien: Diese werden klassischerweise in großen Strängen hergestellt. Wir brauchen eine Folie, die beschichtet, getrocknet und dann geschnitten wird, bevor es in die folgenden Abschnitte geht. Genau hier kann sich ein Converter natürlich wunderbar platzieren. Dabei geht es einerseits um Metallfolien, die klassischerweise als Ableiterfolien dienen, oder aber PE und PP, bzw. Folienlaminate in zwei oder drei Lagen, die als Separator funktionieren können. Später in der Verpackung braucht man dann wiederum Kunststoff-Aluminiumverbundfolien, mit denen man abdichten, verschweißen oder laminieren kann.
Gehen wir vielleicht noch einen Schritt zurück, um auch potenzielle Einsteiger in das Thema abzuholen: Können Sie uns veranschaulichen, wie aus all den verschiedenen Einzelteilen und Prozessschritten z.B. ein Lithium-Ionen-Akku wird?
C. Toigo: Im ersten Schritt starten wir mit einer Metallfolie, die meist aus Aluminium oder Kupfer, seltener auch aus Edelstahl, besteht. Diese wird dann mit dem Aktivmaterial beschichtet, das wir als „Slurry“ bezeichnen. Man kann sich diese Substanz in etwa wie Honig vorstellen – eine dickflüssige Masse, die in einer bestimmten Stärke aufgetragen wird. Im nächsten Schritt wird die Flüssigkeit getrocknet, so dass eine feste Schicht von 100-150 μm auf der Metallfolie entsteht. Anschließend kommt der Separator dazu: Folien aus Polyethylen oder Polypropylen, oder mehrlagige Folienlaminate. Im Prinzip sprechen wir also von zwei Elektroden, die durch einen Separator getrennt werden. Im nächsten Schritt erfolgt eine Befüllung mit einem Elektrolyten und das Verschließen des Akkus. Auch beim Verschluss haben wir es mit einer Verbundfolie zu tun, also Kunststoff-Aluminium/Metall, die alles abdichtet. So entsteht eine erste kleine Zelle, die man aufladen kann. Für sich allein genommen wäre diese noch nicht leistungsfähig genug, um ein Handy oder einen Laptop zu betreiben. Je größer die Geräte, desto größer sind auch die Dimensionen, bzw. die Anzahl der Zellen.
In der Öffentlichkeit werden Lithium-Ionen-Akkus nach wie vor gerne kritisiert: Kritische Rohmaterialien würden benötigt, der Abbau von Lithium gefährde Arbeitskräfte und Umwelt. Gleichzeitig werden Natrium-Ionen-Akkus immer häufiger als Alternative diskutiert. Wie weit ist die Entwicklung hier bereits fortgeschritten?
C. Toigo: Auch hier sind uns die Asiaten deutlich voraus. Dort werden bereits Autos mit Natrium-Ionen-Akkus verkauft! Attraktiv wird diese Technologie auch dadurch, dass die grundsätzlichen Herstellungsprozesse völlig analog sind. Habe ich eine Linie, die heute Lithium-Ionen-Material verarbeitet, lässt sich diese mit relativ geringem Aufwand auf Natrium-Ionen umrüsten. Das Gleiche gilt für die Materialien: Auch hier benötigen wir eine metallische Ableiterfolie und einen Kunststoffseparator. Es gibt sogar spannende Forschungsarbeiten, in denen die Kunststoffseparatoren durch Bio-Kunststoffe (z.B. Alginate oder Cellulose-Derivate) ersetzt werden. Beim Lithium-Ionen-Akku ist es eben so, dass häufig Kobalt und Nickel mit enthalten sind. Sie sind der Hauptgrund für den großen CO2-„Rucksack“ und vielleicht auch eine Erklärung für den teils nicht so guten Ruf der Elektromobilität. Lithium wird in Südamerika gewonnen, dann nach China verschifft und aufbereitet und landet schließlich bei uns in Europa. Daraus folgt, dass ich erst einmal bis zu 60.000 Kilometer mit meinem E-Auto fahren muss, um meine Ökobilanz auszugleichen. Deshalb ist eine ökonomisch und ökologisch sinnvollere Zellchemie mit Sicherheit ein Faktor, der einen weiteren „Push“ auslösen kann!
Was ist Ihre Botschaft an diejenigen, die mit dem Gedanken spielen, in die Batteriefertigung einzusteigen, vielleicht aber noch zögern?
C. Toigo: In vielen Fällen sitzen Unternehmen auf einem Goldschatz aus Material, Equipment und Know-how. Sie wissen vielleicht gar nicht, wie die einzelnen Fertigungsschritte bei Batterien aussehen – und sie rechnen damit, dass ein Einstieg sehr teuer sein kann. Hier komme ich gerne ins Spiel und verschaffe einen Überblick. Man muss nicht direkt 15 Millionen Euro investieren, um durchzustarten – man kann tatsächlich klein anfangen. Für Mittelständler gibt es eine Reihe von Innovationsfördermaßnahmen – übrigens nicht nur im Batteriesektor, sondern auch im Bereich Wasserstoff.
Dieses Interview ist in der Ausgabe #2 von PRO Flexconvert erschienen.